Perspektiven auf und gegen Rechts. Ein Podcast

Queerfeindlichkeit #2 mit Richard Köhler

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Für diese Doppelfolge haben wir mit Richard Köhler von Transgender Europe (TGEU) über Queer– und insbesondere Transfeindlichkeit gesprochen. Darüber, was Queerfeindlichkeit bzw. LGBTIQ*-Feindlichkeit ist und über rechte Mobilisierungen zum Thema haben wir im ersten Teil der Doppelfolge mit Felicia Ewert gesprochen. Hört euch den am Besten hier zuerst an.

Richard arbeitet bei Transgender Europe (TGEU). Das ist ein Dachverband mit 200 Mitgliedsorganisationen aus 50 verschiedenen Ländern. TGEU ist ein Sprachrohr der trans* Community. Die Arbeit besteht darin, Anliegen von Menschen, die trans* sind, auf der politischen Ebene zu vertreten, Aktivist*innen zu beraten und Informationen bereitzustellen.

Wir haben gemeinsam zurück geschaut auf Entwicklungen und Zuspitzungen und Richard betont, dass wir damit auch auf eine unglaubliche Geschichte des Erfolges zurückblicken. Gerade für Menschen, die trans* sind, wurde viel erreicht. Beispielsweise gibt viel mehr Sichtbarkeit und Selbstorganisation von trans* Menschen. Und auch rechtlich hat sich einiges getan. TGEU hat 2013 angefangen, die Rechtslagen in Europa zu vergleichen und zu fragen, was es überhaupt für Rechte für trans* Menschen gibt und wie diese ausgestaltet sind. 2013 gab es noch 24 Länder, die von trans* Personen verlangt haben, dass sie sich sterilisieren lassen, bevor sie den Personenstand ändern können. Das gibt es mittlerweile nur noch in drei Ländern. Darüber hinaus lassen mittlerweile 13 Länder in Europa trans* Menschen selbstbestimmt den Personenstand und ihren Namen wählen .

Richard sieht hier auch den Anfang der Erklärung, warum Queerfeindlichkeit aktuell so stark ist. Denn die Erfolgsgeschichte queerer und feministischer Kämpfe hat Konservative und Rechte auf den Plan gerufen, die an ihren Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität festhalten wollen. Ein Teil ihrer Reaktion ist das Phantasma von der Gender-Ideologie, das eine Verschwörungserzählung ist und von verschiedenen Strömungen weltweit genutzt wird, um gegen queere Menschen und feministische Forderungen zu mobilisieren. Dabei werden Ängste geschürt, indem unter anderem behauptet wird, die Rechte von Frauen und Kindern wären gefährdet. Queerfeindlichkeit ist eng verbunden mit Demokratiefeindlichkeit, Antifeminismus und dem Untergraben von Minderheitenrechten. Queerfeindliche Akteur*innen sind gut untereinander vernetzt und haben viel Geld. Aktuell mobilisieren sie besonders gegen das Selbstbestimmungsgesetz.

Wir haben auch wieder nach vorne geschaut auf das, was wir gelernt haben und was noch auf uns zukommt. Besonders in der Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz ist es wichtig, aktiv zu sein, denn das Gesetz ist in seiner aktuellen Fassung nicht gut. Beispielsweise werden die Daten von Personen automatisch an Sicherheitsbehörden weitergeleitet, was nicht passiert, wenn Menschen ihren Namen ändern, weil sie geheiratet haben. Falsche Aussagen stehen häufig im Zentrum der Debatte. Zum Beispiel, dass Menschen die Personenstandsänderung nutzen könnten, um einer Verurteilung oder einer Abschiebung zu entgehen. Das ist nicht nur falsch, sondern zeigt auch, dass queerfeindliche Argumente häufig eng mit rassistischen Einstellungen verbunden sind.

Richard betont, dass wir gelernt haben, dass es in den Ländern in denen es starke Bündnisse zwischen feministischen und queeren und anderen diskriminierten Gruppen gibt, sehr viel schwerer für populistische und transfeindliche Akteur*innen ist. Zudem ist es wichtig die queerfeindlichen Akteur*innen zu benennen und ihre menschenfeindlichen Einstellungen offenzulegen. Zentral ist auch, aufzuklären, Wissen zu teilen und falschen Aussagen zu widersprechen. Dafür ist es wichtig, dass wir mehr trans* Menschen selbst zu Wort kommen lassen.

Wir haben Richard dann noch gefragt, was wir alle machen können. Wir können uns zum Beispiel an die Abgeordneten unserer Wohnorte wenden und sie bitten, sich für die Rechte von trans* Personen einzusetzen. Es geht auch darum verschiedene Themen wie beispielsweise Klassismus, Antikapitalismus oder die Klimabewegung mit einer sozialen Gerechtigkeit für alle zusammen zudenken. Persönlich am Herzen liegt Richard auch das Thema Sport. Sport ist oft die einzige Möglichkeit, sich auch über Klassen hinweg zu begegnen. Viele Sportvereine schließen Menschen aus, die trans* sind. Das ist fatal für unser aller gesellschaftliches Zusammenleben, aber ganz konkret für Menschen, die trans* sind und die dann keine Möglichkeit mehr haben, Sport zu machen und sich mit anderen auszutauschen.

Zuletzt plädiert Richard dafür, zu unterscheiden, ob diese Themen für Menschen neu sind, weil sie vielleicht keine queeren oder trans* Personen kennen, und sie ein Interesse daran haben, mehr zu lernen. Oder ob es sich um Leute handelt, die ideologisch gefestigt sind und Unwissenheit sowie Verschwörungserzählungen benutzen, um zu manipulieren und zu hetzen. Gegen diese müssen wir uns klar positionieren.

Projekte

Verweis

  • Eine Übersicht zur Rechtslage von Menschen, die trans* sind in den Ländern Europas & Zentralasiens findet ihr hier.
  • Gender-Ideologie ist ein Kampfbegriff, der sich gegen jegliche Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit und gegen geschlechtliche und sexuelle Vielfalt richtet. Mehr zum Begriff Gender-Ideologie und vom wem er wofür benutzt wird, könnt ihr hier erfahren.
  • Antifeminismus ist sowohl eine Ideologie und politische Einstellung, als auch eine organisierte Bewegung verschiedener Akteur*innen und Netzwerke. Antifeminismus richtet sich gegen feministische, queere und emanzipatorische Bewegungen. Häufig geht Antifeminismus einher mit Hass und (tödlicher) Gewalt. Unsere Folge zu Antifeminismus könnt ihr hier hören.
  • Die Demo für alle ist ein extrem rechtes, antifeministisches Netzwerk, das unter anderem gegen Bildungsarbeit zum Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt mobilisiert. Es gibt personelle Überschneidungen und enge Kontakte mit der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) und anderen extrem rechten Akteur*innen. Hier könnt ihr mehr lesen.
  • Das Selbstbestimmungsgesetz soll das sogenannte Transsexuellen-Gesetzes (TSG) ersetzen. Das TSG definiert, wie eine Person den Geschlechtseintrag im Personenstand ändern kann, verstößt jedoch gegen Grundrechte, weil trans* Menschen ein teures, demütigendes und sehr anstrengendes Verfahren durchlaufen müssen. Das Selbstbestimmungsgesetz soll die Situation verbessern, wird aber von Rechten angegriffen, die versuchen Einfluss darauf zu nehmen, wie es ausformuliert wird. Hier findet ihr eine Broschüre zum Thema Selbstbestimmungsgesetz.
  • Einen Text über die praktischen Erfahrungen mit verschiedenen Selbstbestimmungsmodellen in Europa könnt ihr hier auf Englisch und Deutsch lesen.
  • Hier findet ihr die Recherche des What-the-fuck-Bündnisses zur fake-Beratungsseite „Kein Mädchen“.
  • Hier findet ihr eine Analyse von TGEU über die Anti-Gender Bewegung in Europa und Zentralasien auf englisch. https://tgeu.org/anti-gender-landscape-analysis/
  • Die Charta für geschlechtliche Vielfalt im Sport von Seitenwechsel ist eine Sammlung von Themen, die bei der Umsetzung eines Sportvereins für alle Geschlechter wichtig sind. Hier findet ihr die Charta.